Interview mit Rita Miggiano:

Bild Rita Miggiano

von Nadja Oehrlein und Bruno-Thomas Eltschinger 

Warum soll Sommelier ein Trendberuf sein?
Ich bin der Meinung, dass Sommelier KEIN Trendberuf sein sollte. Sicher ist es – auch dank der mittlerweile staatlich anerkannten Fachprüfung – im Trend, eine Weiterbildung als Sommelier zu absolvieren… der Beruf an sich, ist aber für mich nicht trendig, sondern eher etwas elitäres, nachhaltiges und Traditionelles.

Etwas Trendiges ist meist kurzlebig und unterwirft sehr stark den unterschiedlichsten Einflüssen der Zeit. Für den Sommelierberuf wird aber eine nachhaltige Fachkompetenz vorausgesetzt. Ein Sommelier muss über ein fundiertes Wissen verfügen, auf welchem er aufbaut und aus welchem er Schöpfen kann um sein Beruf gut auszuüben. Klar muss er mit der Zeit gehen und sich weiterbilden, dennoch sind eher seine Empfehlungen, oder sein Aufbau der Weinkarte im Trend, nicht aber sein Beruf.

Was bringen Weinreisen für den Sommelier?
Weinreisen sind für Sommeliers sehr lehrreich und spannend. Vor Ort lernt man Traditionen, Menschen, landschaftliche Begebenheiten aber auch Umwelteinflüsse besser kennen und kann diese in Zusammenhang mit dem Wein bringen und diesen dadurch besser verstehen und kennen lernen.  Da bei Weinreisen auch die Bekanntschaft mit den Winzern gemacht werden kann, besteht plötzlich auch eine Art ‚persönliche‘ Bindung zu einem Weingut. Ich habe auf Weinreisen immer auch spannenden ‚mitreisende‘ Menschen kennen gelernt, der fachliche Austausch mit diesen Wein ‚Professionals‘ war für mich immer eine Bereicherung.

Welche Weinreise bleibt Ihnen noch lange in Erinnerung?
Ich hatte einmal die Gelegenheit, zusammen mit 10 anderen Fachpersonen an einer Weinreise nach Österreich teilzunehmen. Die ersten Tage verbrachten wir in der wunderschönen Wachau und am zweiten Tage besuchten wir 5 verschiedene Winzerpersönlichkeiten und degustierten über 90 (!) Weissweine. Am Abend freuten wir uns alle auf ein Glas Rotwein, welches ohne vorgängiger Analyse einfach nur genossen werden konnte….! Die Gruppe war sehr professionell, interessiert und wir harmonierten alle sehr gut und trafen uns sogar nach unserer Heimkehr noch ein paar Mal.

Sind Sommeliers eher Entertainer oder Verkäufer?
Sicher steht bei einem Sommelier der Weinverkauf im Vordergrund – wirtschaftliche Interesse sollten ja auch in der Gastronomie ausgelebt werden dürfen. Am wichtigsten ist aber, dass der empfohlene Wein, den Geschmack des Gastes trifft, gut mit den gewählten Speisen harmoniert, fachlich korrekt serviert wird und Freude bereitet. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass Weinempfehlungen sicher Angaben zum Geschmack, der Stilistik oder der Herkunft enthalten sollten, meist aber die Geschichten hinter dem Wein – meine Erlebnisse mit dem Winzer, wie das Weingut entstanden ist, wieso der Wein auf unserer Weinkarte zu finden ist usw. – mindestens so spannend sind für den Gast und die Entscheidung beeinflussen. Daher ist bei einer Weinempfehlung und dem fachlich korrekten Service der Unterhaltungswert schon sehr hoch.

Von welchem Wein haben Sie am meisten in Ihrem privaten Weinkeller?
Zum Glück habe ich das Privileg, dass unser Weinkeller vom Gasthof Löwen auch privat für uns zugänglich ist. Müsste ich aber entscheiden, wären Pinot Noir aus allen Herren Länder… d.h. aus der Schweiz, aus Frankreich und aus Österreich und tolle Wein aus der Toscana im Privatkeller zu finden.

Welche zwei Weine würden Sie auf die einsame Insel mitnehmen?
Es ist kein Geheimnis, dass ich italienischen Wein sehr liebe. Daher würde meine Wahl sicher auf eine Spezialität aus der Toscana fallen… am liebsten eine Flasche Messorio von Cinzia Merli vom Weingut Le Macchiole. Und als Aargauerin – und weil ich auch sehr gerne Pinot Noir trinke - würde ich gerne auf der einsamen Insel mein Heimweh stillen wollen mit einer Flasche Kloster Sion von Andreas Meier, Weingut zum Sternen.

Welche Winzer sind Ihnen die liebsten?
Das ist eine sehr schwierige Frage und hängt natürlich auch damit zusammen, dass ich zu vielen Winzern eine persönliche Beziehung habe. In meiner Region pflege ich eine gute ja fast schon freundschaftliche Beziehung zu August Pünter und Erich Meier. Den persönlichen Austausch und das Fachsimpeln mit diesen beiden tollen Winzern möchte ich ebenso wenig missen wie ihre tollen Weine! Aber auch die Familie Adank aus Fläsch mag ich unheimlich gerne, weil sie so mit beiden Füssen im (Winzer)Leben stehen und dank grossem Engagement und Schaffenskraft wunderbare, ehrliche Weine produzieren. Und ich bin ein grosser Fan von Maurizio Zanella, denn nicht nur seine Schaumweine sind top, sondern auch die vielfältige Palette an Weiss- und Rotweinen begeistert mich immer wieder. Oder das Weingut Petra, in dessen Nähe wir immer unsere Sommerferien verbringen und welches wir schon mehrmals auch mit Freunden besucht haben. Eine persönliche Beziehung darf ich auch zu Mariano vom Weingut Buglioni pflegen – die Chemie zwischen uns stimmt einfach und dies obwohl Amarone nicht wirklich zu meinen Lieblingsweinen gehört…! Und dann wäre da noch Alvaro Palacios mit seinen wunderbar würzigen Spezialitäten aus dem Priorat. Oder Emmerich Knoll, welchen wir zusammen mit seiner Frau auf seiner Hochzeitsreise angetroffen haben – auch seine tollen Rieslinge und Grünen Veltliner stehen natürlich immer mal wieder auch bei uns Privat auf dem Tisch.

Welchen Geschmack verbinden Sie mit Ihrer Kindheit?
Ich bin in einer Metzgerei aufgewachsen und noch heute erinnere ich mich an den wunderbar rauchig-weinigen Geschmack der frisch produzierten Landjäger, welche zum Trocknen jeweils im Ladengeschäft aufgehängt worden sind. Oder der Geruch nach frisch geräucherten Brühwürsten (Cervelats oder Wienerli), welcher eigentlich immer im Treppenhaus war…

Worüber können Sie herzlich lachen?
Über lustige Begebenheiten mit Gästen oder mit unseren Kindern. Oft ist es ja Situationskomik, welche ein spontanes Lachen auslösen kann. Oft lache ich aber auch über mich selber… schliesslich kann ja niemand aus seiner Haut…

Was ist Ihr Hobby?
Unser Beruf als engagierte Gastronomen lässt leider nicht allzu viel Zeit für Hobbies. Aber ich bin sehr sportlich und liebe es, mich in der Natur zu bewegen. Biken, Joggen, Wandern und im Winter natürlich Skifahren, Langlaufen oder Schneeschuhlaufen. Und ich gehe – sei es mit Freunden, mit der Familie oder nur mit meinem Mann – sehr gerne in Restaurants essen und lasse mich kulinarisch verwöhnen.

Ihre Lieblingsmusik?
Ich höre sehr gerne die aktuellen Hits, welche in den Charts zu finden sind. Die Lieder von U2 lösen bei mir immer gute Laune aus und Eros Ramazotti deckt zusammen mit Zucchero die Liebe zur Italianità ab.

Mit welcher Persönlichkeit würden Sie eine Flasche Petrus trinken?
Mit Bernhard Russi – schon als Kind war ich ein grosser Fan von diesem charismatischen Skifahrer und die Faszination ist bei heute geblieben… und er mag Rotwein, das habe ich gelesen!

Was wollten Sie als Kind gerne werden?
Lehrerin oder Hotelière

Was wollten Sie als Kind nie essen?
Kartoffelsuppe! Wir mussten aber als Kind immer alles probieren und so wurde mir auch eine Portion von dieser wunderbaren Suppe in den Teller geschöpft… ich brauchte 3 Stunden, bis ich die Kartoffelsuppe – unter der strengen Aufsicht meiner Mutter – ausgelöffelt hatte. Und sie wurde immer kälter und ‚gruusiger‘!

Welches Getränk können Sie überhaupt nicht ausstehen?
Red Bull – nur schon der Geschmack in der Nase finde ich furchtbar!

Haben Sie einen grossen Traum?
Einmal mit dem Schiff von Europa nach New York zu fahren.

Was halten Sie für Ihre grösste Schwäche?
Ich habe eine grosse Schwäche für schöne Schuhe und Kleider… und ich bin nicht immer konsequent, was unsere Kinder sehr gerne ausnutzen.

Was ist Ihre grösste Tugend?
Ich habe eine grosse Disziplin, arbeite sehr gerne und stelle immer den Menschen in den Mittelpunkt.

Welchen Luxus leisten Sie sich gelegentlich?
Ein gemütliches Abendessen mit einer Freundin oder Zeit für mich in einem Spa in der Region.

Welcher Versuchung widerstehen Sie nicht?
Foie Gras…!

Welches Kompliment hören Sie am liebsten?
Dass ich eine herzliche und gute Gastgeberin sei und dass sich der Gast bei uns wohl gefühlt hat.

Womit haben Sie Ihr erstes Geld verdient?
Habe ich im elterlichen Betrieb, in der Metzgerei mit Ferienjobs verdient

Sie gewinnen zehn Millionen Franken, was würden Sie damit tun?
Zuerst würde ich unseren Gasthof Löwen ‚kaufen‘ d.h. die Hypotheken der Bank zurückzahlen. Dann würde ich eine Ferienwohnung im Engadin kaufen, damit wir unsere Auszeit und die spätere Pension in meiner Lieblingsregion verbringen könnten. Sicher würde ich auch einen Teil anlegen und schön wäre, wenn ich als Pinot Noir Liebhaberin dann auch noch ein Kistchen Romanée Conti erwerben könnte.

Welches Geschenk ist das schlimmste, das Sie je erhalten haben?
Während meiner Schulzeit habe ich von einem Verehrer zum Muttertag (!) einen Blumenstrauss mit Anthurium Blumen erhalten… seither hasse ich diese Blumen!

Welche Eigenschaften schätzen Sie an einem Mann?
Humor, Offenheit und Ehrlichkeit sind für mich wichtige Eigenschaften für ein Zusammenleben. Gemeinsame Wertvorstellungen und übereinstimmende Ziele sind eine weitere Basis für das Leben als Paar.

Welche Flasche Schweizer Wein verkaufen Sie sehr gerne?
Weine von Andreas Meier aus meiner Heimat dem Kanton Aargau… damit kann ich hier im Kanton Zürich auch immer mit einem Augenzwinkern ein bisschen provozieren und am Schluss punkten!

Welches sind Ihre Weinfavoriten für Schweizer Weine?
Weisswein-Spezialitäten (Sauvignon blanc, Pinot blanc, Chardonnay) aus der Bündner Herrschaft, dem Kanton Zürich oder dem Kanton Aargau. Gereifte Pinot Noirs aus alten Reben aus der Ostschweiz.

Welches ist für Sie der berste Schweizer Schaumwein?
Adank’s Brut (Handgerüttelter Schaumwein, Méthode traditionelle vom Weingut Hansruedi Adank)

Was sind für Sie die wichtigsten Eigenschaften eines Sommeliers?
Er muss auf die Gäste eingehen und Ihre Wünsche / Vorlieben verstehen können. Er sollte die Weine so beschreiben, dass dies auch von nicht Fachleuten verstanden wird. Er muss über das nötige Grundwissen (richtige Temperatur, optimales Alter, Herkunft und Herstellung des Weines) verfügen und anwenden.

Was ist die schwierigste Aufgabe eines Sommeliers?
Ein Sommelier darf nicht belehrend wirken und das ist nicht immer einfach zu umgehen. Gäste, welche Ihren eigenen Geschmack und ihre Vorliebe nicht gut kennen zu beraten, ist im weiteren eine grosse Herausforderung für einen Sommelier.

Welches war das prägendste Erlebnis in der beruflichen Laufbahn?
Dass ich während meiner Zeit als Verkaufsleiterin im Suvretta House meinen Mann Domenico kennen gelernt habe… ohne ihn wäre ich heute sicher nicht Gastgeberin in einem Landgasthof!

Welchen heutigen Sommelier bewundern Sie?
Den noch jungen aber sehr ambitionierten Stefano Petta z.Zt. Restaurantleiter im Restaurant Ecco im Hotel Atlantis by Giardino

Welche Weinpersönlichkeit werden Sie nie vergessen?
Guido Brivio als Entertainer am Klavier in einem Tessiner Grotto

Welches Restaurant weltweit hat heute den besten Sommelier?
So viele Restaurants weltweit habe ich noch nicht besucht, aber Stéphane Gass von der Schwarzwaldstube in der Traube Tonbach

Welches Restaurant in der Schweiz hat den besten Sommelier?
Für mich ist das Francesco Benvenuto vom Restaurant Igniv in Bad Ragaz.

Ist es anstrengend berufshalber immer Wein trinken zu müssen?
Ich trinke eher wenig Wein, eigentlich nur an unseren Ruhetagen. Wein degustieren (inkl. Spuken) und über Wein mich informieren, das mache ich fast täglich, ist aber kein müssen!

Welche Rolle spielen Parker Punkte bei Ihrem Weineinklauf?
Beim Weineinkauf beachte ich Parker Punkte wenig bis gar nicht. Für mich ist wichtig, dass ‚neue‘ Weine, meine Weinkarte in Bezug auf Preis, Herkunft und Geschmack gut ergänzen können und zu unserer Art Küche passen.

Sollten Ihre Gäste zuerst Wein oder die Speisen wählen?
Beides ist gut… wenn ein Gast unbedingt einen Chateauneuf du Papa trinken möchte, dann empfehle ich gerne die passenden Speisen dazu. Aber eigentlich bevorzuge ich schon, wenn der Gast sich für eine Speisefolge entscheidet und ich ihm dann die passenden Weine empfehlen darf.

Welche Fragen werden von Ihren Gästen meistens gestellt?
Welchen Wein würden Sie mir zu meinem Hauptgang empfehlen?

Was würden Sie jedem Sommelier verzeihen?
Wenn er nicht sofort den Jahrgang oder ein anderes Detail (Barrique gereift, genaue Prozente der Assemblage o.ä.) als Auskunft aus dem Ärmel schütteln kann.

Was würden Sie einem Sommelier nie verzeihen?
Wenn der Wein mit einer falschen Temperatur serviert wird.

Was ist das Geheimnis eines guten Weines?
Für mich muss ein guter Wein ausgewogen, spannend und aroma-intensiv sein. Vor allem aber muss ich mich an den Wein und auch gerne an den Anlass, an welchem ein Wein getrunken worden ist, erinnern können.

Was ist ihre persönliche Preis-Schallgrenze für eine Flasche Wein?
Normalerweise ca. CHF 100.-- / 150.--… bei einem speziellen Anlass darf der Wein aber auch mal knapp CHF 200.— kosten.

Warum sind Schweizer Weine im Restaurant teuer?
Schweizer Wein hat – vor allem qualitativ gute Weine – einen höheren Einstandspreis als je nach dem anderen Weinen aus Europa. Dies ist ja aber auch logisch, da die Arbeit in der Schweiz viel teurer ist als anderswo und wenn man sich vorstellt, dass für eine Flasche ja mind. 1 Jahr lang gearbeitet werden muss…!

Welche Trends sehen Sie im Weingeschmack junger Leute?
Ich beobachte, dass der Trend wieder hin zu eher weniger alkoholhaltigen, nicht allzu stoffigen Weinen mit Restsüsse geht. Das ist für mich eine schöne Entwicklung, welche ich sehr gerne unterstütze und welcher auch die Speisen wird etwas mehr in den Mittelpunkt stellen.

Wer produziert die besten Weingläser und warum?
Ich persönlich liebe es Wein aus ‚Zalto‘ Gläsern zu trinken. Diese feinwandigen Gläser gibt es in verschiedenen Formen, welche dann je nach Wein verwendet werden können.

Nennen Sie uns bitte eine Persönlichkeit aus der Sommelier bzw. Weinbranche von der Sie gerne ein Interview im Hotelier lesen würden.
Da denke ich an Sting (Weingut in der Toscana) oder Ueli Schiess von der Weinhandlung ‚Il Caratello‘ St. Gallen (seit vielen Jahren erfolgreicher Weinhändler und eigentlich im Pensionsalter) oder Béatrice van Strien, welche über einen grossen Erlebnis-Schatz (u.a. als Repräsentantin von USA-Weingütern oder als Lehrerin an der Hotelfachschule) in der Weinwelt verfügt.

Sollte der Sommelierverband speziell für Frauen Veranstaltungen/Degustationen/Events anbieten?
Ich finde, dass Sommelier ein ‚Unisex‘ Beruf ist. Für mich ist es nicht wichtig, ob ein Ausstausch mit Männern oder / und mit Frauen geschieht. Hauptsache es wird eine Plattform geboten für Weiterbildung und für den Austausch zum spannenden Thema Wein.

Persönlich Rita Miggiano

 

Logo Hotelier neu


 

 

 

Seit vielen Jahren ist «Hotelier» das offizielle Verbandsorgan des Schweizer Sommelierverbandes ASSP-SVS.

An dieser Stelle publiziert der Verband Highlights aus der Schweizer Sommelier- und Weinszene.

Der Sommelierverband Deutschschweiz bevorzugt die Produkte unserer PLATINUM-PARTNER:

elemant selection
Seit 1863

 Feldschlösschen LogoSTUDER Logo

 

 

 

 

 

Sponsoren:

1 Swiss Wine sw