Eva Salamin Bordeaux 2Interview mit Marco Streit

von Nadja Oehrlein und Bruno-Thomas Eltschinger                              

Vom Handel zum Service und der Lehre – aber um den Wein ging es bei Marco Streit immer. Nach ersten Jahren im Weinhandel absolvierte er eine Serviceausbildung im Restaurant du Lac de Sauvabelin in Lausanne und dann zog es ihn auch schon in die Luft, wo er heute noch bei der SWISS Intl. Airlines tätig ist. Zum einen als «Maître de Cabine», weil er den Kontakt mit den Gästen schätzt und einfach immer noch gerne fliegt. Zum anderen in der Ausbildung des Nachwuchses im Bereich Service, auch Wein, sowie der Weiterbildung der Führungskräfte.

 

Sie verwöhnen unter anderem als MdC bei der Swiss die Gäste in der First Class – eine anspruchsvolle Aufgabe. Was hat Sie dazu bewogen, die Ausbildung zum Sommelier zu absolvieren?
Ich habe das Weinhandelsdiplom in Wädenswil gemacht. Dies entspricht jedoch nicht der heutigen Sommelier Ausbildung. Als Weinenthusiast kam ich aus dem Service- und Weinhandel und bin der damaligen ASMD (eidg. dipl. Maîtres d’Hôtel und Sommeliers) beigetreten, dessen Nachfolgeverband die ASSP ist.

Die Aromatik der Weine verändern sich ja mit zunehmender Höhe. Nimmt der Gast das bewusst wahr?
Der Kabinendruck entspricht in etwa den Verhältnissen auf 2200m ü.M. Zudem ist die Luft an Bord eher trocken. Dies hat unter anderem einen Einfluss auf die Geruchs- und Geschmackssensibilität, die in dieser Höhe weniger ausgeprägt ist. Einem Teil der Gäste wird dieser Unterschied bewusst. Dies erfahre ich aus den Gesprächen über die Weinauswahl oder bei der Verköstigung.

Sie sind zudem auch für die Ausbildung des Nachwuchses bei der Swiss verantwortlich. Schulen Sie auch im Weinbereich?
Durch meine langjährige Erfahrung bin ich unter anderem in der Ausbildung und als Experte für die eidgenössische Berufsprüfung der Cabin Crew Members zuständig, bei der ich den gastronomischen Teil, hauptsächlich den Getränketeil, betreue. Es ist mir wichtig, dass ich die Leidenschaft an meine Kolleginnen und Kollegen weitergeben kann. Denn bei der Weinkunde spielen elementare Fähigkeiten, wie zum Beispiel Grundkenntnisse über Haupttraubensorten, die Weingeographie, das richtige Lesen der Etikette und die Weinempfehlung zum Menü eine wichtige Rolle.

Wie halten Sie sich in Sachen Wein auf dem Laufenden?
Ich tausche mich regelmässig mit Gleichgesinnten bei Degustationen aus, besuche Weinbaugebiete oder eigne mir mittels Fachmagazinen neues Wissen an. Bei ganz spezifischen Fragen finde ich die Antworten häufig in der entsprechenden Fachliteratur.

Was sind für Sie die wichtigsten drei Eigenschaften eines Sommeliers?
Als Sommelier sollte man dem Gast genauestens zuhören und anschliessend auf die Wünsche entsprechend eingehen können.

Sind Sommeliers eher Entertainer oder Verkäufer, die Gästen etwas «andrehen» sollen?
Weder Entertainer noch Verkäufer, denn als Sommelier bin ich eher ein zurückhaltender Überzeuger.

Warum soll Sommelier ein Trendberuf sein?
Als Sommelier ist es grosse Freude und äusserst spannend, sich mit dem Wein, der Weinkultur und der Geschichte des Weins auseinanderzusetzten.

Was darf ein Sommelier nie sagen?
Als Sommelier sollte man den Satz «Nein, da liegen Sie falsch…» vermeiden.

Was ist die schwierigste Aufgabe eines Sommeliers?
Die individuelle Weinsprache internationaler Gäste zu decodieren.

Wieviel sollte ein Sommelier in der Schweiz mindestens verdienen?
Dies kann ich so nicht direkt beantworten. Wie in anderen Berufen spielt auch hier die Verantwortung und der Aufgabenbereich innerhalb des Betriebs eine zentrale Rolle. Hierbei stellt sich zum Beispiel die Frage, ob der Einkauf und die Gestaltung der Weinkarte zum Aufgabenbereich dazugehört.

Welchen heutigen Sommelier bewundern Sie?
Jörg Bühler, der das Restaurant «Bü’s» in Zürich führt.

Welchen Sommelier in der Geschichte werden Sie nie vergessen?
Meine erste Mentorin und Unterstützerin Myriam Broggi.

Welches Restaurant weltweit hat heute den besten Sommelier und wie heisst er?
Hier gibt es eine grosse Auswahl an sehr guten Sommeliers, sodass ich die Frage nicht abschliessend beantworten kann.

Welches Restaurant in der Schweiz hat heute den besten Sommelier und wie heisst er?
Jörg Bühler, der das Restaurant «Bü’s» in Zürich führt.  

Wie gross ist das Weinsortiment, das Sie für Ihre Gäste bereithalten?
An Bord von SWISS haben wir in der First Class eine Auswahl an neun und in der Business Class an sieben Weinen. Diese ändert sich jedoch alle drei Monate und wird dem aktuellen Menüplan angepasst.

Ist es anstrengend berufshalber immer Wein trinken zu müssen?
Während der Arbeit dürfen wir an Bord keinen Alkohol konsumieren. Deshalb stütze ich mich hierbei auf meine Weinkenntnisse und verlasse mich auf meinen ausgeprägten Geruchssinn.

Spielt ökologischer Weinbau bei Ihren Gästen eine grosse Rolle?
Dies wird von unseren Gästen eher selten nachgefragt.

Ist Naturwein oder Orange-Wein ein Thema?
Nein, dies ist bei unseren Gästen aktuell kein Thema.

Welche Rolle spielen Parker-Punkte für das Sortiment und für Ihre Gäste?
Ich werde von unseren Gästen selten bis gar nie auf die Parker-Punkte angesprochen.

Nach welchen Kriterien empfehlen Sie Ihren Gästen den passenden Wein zur Speise?
Ich versuche im Gespräch herauszufinden, ob der Gast  eine Vorliebe oder Abneigung bezüglich des Weins hat. Hierbei berücksichtige ich die Auswahl des Menüs und versuche mit einer Begründung eine Auswahl an zwei Weinen zu offerieren. Ich freue mich immer, wenn sich ein Gast für meine Empfehlung entscheidet und mir anschliessend eine Rückmeldung gibt.

Was sollte Ihrer Meinung nach an erster Stelle stehen: zuerst die Weinauswahl und dann ein entsprechendes Gericht dazu zubereiten – oder das Gericht festlegen und dann den Wein dazu auswählen bzw. sich empfehlen lassen?
Ich hatte mal eine «modische» Phase, während der ich persönlich die Weinauswahl vor der Gerichtsauswahl bevorzugte. Aber im Allgemeinen lebe und erlebe ich doch die Weinauswahl zum bereits festgelegten Gericht.

Welche Fragen werden von Ihren Gästen meistens gestellt?
«Do you have French Bordeaux?»

Was macht Gäste bei Wein unzufrieden?
Wenn der gewählte Wein völlig neben ihrem bevorzugten Geschmack liegt. Der Versuch Unbekanntes zu erkunden, war somit nicht zufrieden stellend.

Was ist das Geheimnis eines guten Weines?
Harmonie, das gewünschte Gleichgewicht resp. Zusammenspiel aller Eigenschaften eines Weines.

Was ist für Sie ein preiswerter Wein?
Ein solider Wein unter 20 Schweizer Franken.

Sind Schweizer Weine im Weinhandel gut kalkuliert?
Davon gehe ich aus und wünsche jedem Winzer und Weinproduzenten, dass die Arbeit dementsprechend honoriert wird.

Welche Flasche Schweizer Wein empfehlen Sie sehr gerne?
Gerne empfehle ich autochthone Sorten.

Welches sind Ihre Weinfavoriten für Schweizer Weine?
Weisswein und Rotwein aus dem Dézaley im Kanton Waadt.

Welcher ist für Sie der beste Schweizer Schaumwein?
Schaumweine sind nicht mein Spezialgebiet und folglich habe ich keinen Favoriten.

Welche Trends sehen Sie im Weingeschmack junger Leute?
Ein günstiger und spritziger Weisswein mit minimaler Restsüsse.

Welche Weingebiete oder Regionen sind die zukünftigen positiven Überraschungen?
I
ch interessiere mich zur Zeit für Osteuropa. Die Weingebiete in Rumänien finde ich äusserst spannend und haben meines Erachtens Potenzial.

Bei welchen Weinregionen wird das Interesse abnehmen?
Die Klassiker aus der «alten Weinwelt», ausgenommen ist hierbei der Bordeaux, werden möglicherweise kein breiteres Publikum mehr finden.

Nennen Sie eine Weinregion, die im nächsten Jahr besonders erfolgreich sein wird und warum?
Im Bestreben Neues zu entdecken, machen aktuell die Weinregionen in Georgien und Armenien prominent von sich reden. Ob das für nachhaltigen Erfolg reicht und Früchte tragen wird, wird sich zeigen.

Wer produziert die besten Weingläser und warum?
Da habe ich zu wenig Vergleichserfahrung. Ich selbst benutze Gläser der Marke Riedel und bin sehr zufrieden damit.

Von welchem Wein haben Sie am meisten in Ihrem privaten Weinkeller?
Das wäre wohl der Schweizer Pinot Noir.

Welche zwei Weine würden Sie auf die einsame Insel mitnehmen?
Wahrscheinlich ein Mitis und ein mittelkräftiger Schweizer Pinot Noir.

Welche Winzer sind Ihnen die liebsten und warum?
Die vignerons-encaveurs (Selbstkelterer) sind absolute Fachleute, die für ihre Produkte «mit eigener Handschrift» einstehen.

Welches ist Ihr persönliches Lieblings-Weinland, ausser der Schweiz, in Europa?
Ein Lieblings-Weinland ist sicherlich Italien, da unterschiedliche Weinstile einfach erhältlich sind.

Wieviel kostete der teuerste Wein, den Sie jemals bestellten? Wie heisst er?
Gefühlt, kaufkraft- und damaliges Einkommen-bedingt ein Clos de Vougeot in der Auberge du Raisin Cully. An den Produzenten kann ich mich jedoch nicht mehr erinnern.

Was ist Ihr Hobby?
Curling, Ski, Wein. Die exakte Reihenfolge lasse ich offen.

Ihre Lieblingsmusik?
Softrock & Pop.

Ihr Lieblingsessen?
Papet vaudois mit saucisson aux choux.

Mit welcher Persönlichkeit auf der Welt würden Sie eine Flasche Petrus trinken?
Mit meinem Weinfreund R.B. aus K.

Was wollten Sie als Kind gerne werden?
Als Kind war Uhrmacher mein Traumberuf.

Was wären Sie ausser dem, was Sie heute sind, gerne geworden?
Hotelier wäre eine gute Alternative gewesen.

Was ist Ihr Lebensmotto?
«Nume nid gsprängt!», was so viel heisst wie «nur mit der Ruhe und nichts überhasten.

Welcher Versuchung widerstehen Sie nicht?
Schokolade kann ich ganz schwer wiederstehen.

Was bringt Sie auf die Palme?
Gleichgültiges Handeln bei übertragenen Aufgaben

Womit haben Sie Ihr erstes Geld verdient?
Als Kind Flaschensammeln für das Depot und anschliessend als Lehrling.

Sie gewinnen eine Million Franken, was würden Sie damit tun?
Traumferien mit meiner Frau, eine oder zwei exquisite Flaschen Wein im Restaurant geniessen und ein grosser Teil des Gewinns anlegen.

Was schätzen Sie am Schweizer Sommelierverband besonders?
Das Engagement für die Weinkultur und das Angebot an Veranstaltungen.

Was ich mir wünsche…
Mehr Restaurateure sollten ihren Weinkarten eine persönliche Note verleihen, indem sie die Weinempfehlungen und Beschreibungen auch auf ihre Gerichte abstimmen, anstatt die allgemeinen Floskeln – wenn überhaupt – des Produzenten zu übernehmen.

Marco Streit persönlich

 

Seit vielen Jahren ist «Hotelier» das offizielle Verbandsorgan des Schweizer Sommelierverbandes ASSP-SVS.

An dieser Stelle publiziert der Verband Highlights aus der Schweizer Sommelier- und Weinszene.

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