Woher kommen all die Sommeliers?

Zurzeit erleben wir eine richtige Sommelier-Schwemme. In Gourmettempeln umsorgen sie genusshungrige Gäste mit allem, was das Herz begehrt. Sake-, Kräuter-, Käse-, Bier-, Wasser-, Spirituosen-, Zigarren-, Kaffee-, Tee-Sommeliers und zum Glück noch solche, die auch für den Wein zuständig sind, weisen Gästen den richtigen Weg in den Schlemmerhimmel. Sommelier ist zum In-Beruf geworden, und Spitzensommeliers sind Medienstars der Gastroszene. Bei der Berufswahl ist Sommelier beinahe so populär wie Eventmanager, Webdesigner, Hochzeitsplaner oder Lifestyle-Berater. Zum Glück sind schon wegen des Alkoholgesetzes Altersschranken nach unten gesetzt. Sonst würden uns bald pubertierende Jungs erklären, warum zu Lachsklösschen auf Rote-Bete-Sauce mit Spinat- soufflé und Pariser Kartoffeln ein Château Ksara Blanc de Blancs aus dem Libanon, mit nussigen Noten und zartem flo- ralem Geschmack, besser passt als ein Kröver Nacktarsch von der Mosel. Das Erscheinungsbild des Sommeliers hat eine starke Metamorphose erlebt. Es ist nicht mehr der ältere Herr im Smoking, mit goldenem Tastevin am Bauch baumelnd, der uns seinen Weinschatz preisgibt.

Heute berät uns die selbstbewusste Sommelière mit dem unschlagbaren Weinwissen und untrüglicher Sensorik, in elegantem Long Sleeve Streight Dress von Diane von Fürstenberg. Oder der smarte junge Mann mit den Gucci-Schuhen, der mit seinem Montblanc-Meisterstück Classique Ballpoint unsere Bestellung notiert. Sie sind selbstsicher, nonchalant bis kumpelhaft und trendy. Für jedes Michelin-Restaurant, Fünfsterne-Hotel oder richtige Luxus-Kreuzfahrtschiff ist ein Sommelier heute eine Muss. Sie können oder müssen es sich leisten können, einen fassbaren Sommelier einzustellen und zu bezahlen. Wie immer wird alles, was trendy, teuer und exklusiv ist, kopiert. Die gleiche Situation wie bei Extra-Vergine-Olivenöl oder Balsamicoessig, es gibt viel mehr auf dem Markt, als produziert wird. Heute schmückt sich jedes Wellnesshotel, jeder Landgasthof und bald jede Beiz mit einem Sommelier, obwohl sie gar kein Sommelier-Gehalt zahlen können. Die Sommeliers haben auch ihre Titel, Urkunden oder Atteste und tragen schwarze Schürzen und Anstecknadeln, die sie als Sommelier darstellen. Eine wohlklingende Berufsbe- zeichnung sagt aber wenig aus über eine fundierte Ausbildung.

Woher kommen plötzlich so viele Sommeliers, obwohl die Ausbildung noch gar nicht so lange existiert? Früher haben die guten Häuser keine Urkunden von Sommelier-Kursen verlangt, sondern lückenloses Weinwissen, menschliche Reife, tadellose Erscheinung, perfekte Gastgeber mit Bescheidenheit, soziale Kompetenz und ein gutes Allgemeinwissen. Damals hat es für die Sommelier-Aus- bildung noch keine viertägigen Kurse gegeben. Man musste das erforderliche Wissen und die Kompetenz mit viel Arbeit und Motivation von der Pike auf erarbeiten. Heute nennt sich schon Sommelier, wer weissen Wein von Rotwein unterscheiden kann, weil die Berufsbezeichnung des Sommeliers wenig bis gar nicht geschützt ist. So wie jeder sich als Anlageberater, Informatiker oder Personal Trainer bezeichnen kann, genau so kann sich jeder Weinhändler, Kellner, Koch oder Texter als Sommelier bezeichnen, weil der Berufsstand Prestige hat und ach so wohltuend klingt. Dabei kann nicht viel schief gehen, nur: Sobald ein Gast passionierter Weintrinker ist oder Fachkollegen als Gäste auftauchen, wird es peinlich und treibt ihnen die Röte ins Gesicht. Man könnte es, wie bei vielen geschützten Berufsbezeichnungen oder Titeln, als Kavaliersdelikt betrachten, aber eigentlich ist es eine Straftat. Es ist unstatthaft, wenn jemand ohne spezifische, nachhaltige Ausbildung die Sommelier-Berufsbezeichnung trägt, aber die hohen Anforderungen nicht erfüllt. Sie schaden damit mutwillig dem Ruf eines Berufsstandes, der sich seit Jahrhunderten unserem Wohlergehen verschrieben hat.


Der Autor
Bruno-Thomas Eltschinger ist Präsident des Deutschschweizer Sommelier-Verbandes (SVS/ASSP) und Leiter der Sommelier-Fachschule Zürich. Seit vielen Jahren beschäftigt er sich professionell mit der internationalen und schweizerischen Weinszene.

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