Rosé-Weine sind wie die Frauen...

Mein erster Wein war ein Rosé, das weiss ich noch ganz genau. Es war ein Mateus Rosé in der Bocksbeutelflasche. Dieses portugiesische Erzeugnis war der erste Design-Wein, genau dem Massengeschmack angepasst. Nicht zu süss und nicht zu teuer, nicht zu schwer, nicht zu bitter, ohne Ecken und Kanten. Dieses Image hat der Rosé leider bis heute. Er gilt als Wein für Weinbanausen, welcher es jedem recht machen will. Auf einer Weinreise in der Champagne wurde uns in jeder Kellerei, die etwas auf sich hält, Rosé-Champagner serviert. Das war so bei Moët & Chandon, Bollinger, Laurent-Perrier oder Feuilatte. Rosé- Champagner sind heute die absoluten Trend-Drinks, und sie legen jährlich rund 10 Prozent zu. Obwohl Rosé- Champagner nichts Neues sind, erleben sie jetzt eine regelrechte Renaissance. Sogar traditionelle Häuser führen heute ihre Rosé-Champagner – und das meistens im Premium-Segment. Schon Madame Jacques Bollinger, genannt «Tante Lilly», nannte ihn «La vie en rosé: ein Gläschen gegen den Winter-Blues». Girls lieben Rosé-Cham- pagner – nicht nur wegen des Kicher-Kicks bei Mädeltreffen. Sondern auch, weil er so stylisch ist. Was beim Champagner trendy und salonfähig ist, galt bei den Still-Weinen lange als minderwertig.

Noch immer entsteht der grösste Teil der Rosé-Weine als «Abfallprodukt» der Rotweinproduktion. In Frankreich nennen sie ihn «Saignée», dünnflüssige Langweiler. Für viele Winzer aber sind sie schnelles und unkompliziertes Geld, Sommerlimonade mit Alkohol, sonst nichts. Doch wie bei jeder Mode schlägt einmal das Pendel zurück. Der Sommer ist da, ein kühler Tropfen soll es sein, leicht, spritzig und elegant. Ihre Farbe ist verfüh- rerisch, ihr Duft betörend und ihre Wirkung berauschend. Gerade darum stellt sich die Frage, ob «richtige Männer» solche Weine trinken dürfen, ohne ihrem Image zu schaden. Bei Männern zählt das Prestige, sie schmücken sich gern mit schnellen Autos, grossen Uhren und teuren Weinen. Dagegen lassen sich Frauen gern von Farbe oder Etikett beeindrucken – oder werden vom Preis geleitet. Wo bei Männern in den kleinsten Kapillargefässen so etwas wie Protz fliesst, steht das weibliche Geschlecht mehr unter der Wirkung von Wohl- geschmack und Harmonie. Mag sein, dass Frauen für Eleganz, Finesse und Feingliedrigkeit stehen, Männer hingegen kraftstrotzende Muskelpakete sind. Insofern lässt sich bildhaft auch beim Wein von diesen beiden Grund- typen sprechen.

Nur, woher kommt das schlechte Image des Rosé? Es sind doch auch Weine aus roten Trauben! Rosés sind zugänglicher, unkomplizierter und fruchtbetonter als ihre grossen Brüder. Sie tragen die ganze Aromenpalette der Trauben, aber ohne bittere Gerbstoffe und Tannine. In Kalifornien tauschten die schlauen Winzer einfach den Namen aus. Rosé heisst dort Blush – wie das Erröten. In der Schweiz gibt es unterschiedlichste Bezeichnungen für einen roséfarbenen Wein. Am bekanntesten sind «Œil de Perdrix», «Blanc de Merlot» oder «Dôle Blanche». Das 1729 gegründete Champagnerhaus Ruinart vertrieb seinen Rosé-Champagner schon 1764 unter dem Namen «Œil de Perdrix», ein Wein in zartem Rosa mit kupferroten Reflexen. Rosé entsteht, indem man die Schalen blauer Trauben gezielt aus- lutscht. Aus den Beeren blauer Trauben entzieht man, so wie beim Rotwein, den Farbstoff. Nur viel zarter, weil man die Schalen schon nach kurzer Zeit von der Maische trennt. Bei Rotwein dauert diese Extraktion tage- oder gar wochenlang. Darum ist guter Rosé pure Winzerkunst. Auf den ersten Blick scheinen Rosés so zu sein wie Frauen; leichtfüssig, ein bisschen oberflächlich vielleicht und ab und zu flatterhaft. Bei näherem Hinsehen entpuppen sie sich aber als Aromabomben und Duftbuketts – zudem sind sie hübsch anzusehen. Erst wenn Männer sie näher kennenlernen, erkennen sie die inneren Werte.

Der Autor
Bruno-Thomas Eltschinger ist Präsident des Deutschschweizer Sommelier-Verbandes (SVS/ASSP) und Leiter der Sommelier-Fachschule Zürich. Seit vielen Jahren beschäftigt er sich professionell mit der internationalen und schweizerischen Weinszene.

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