Holz oder Stahl?

Die Frage «Holz oder Stahl?» hat nicht nur mit Architektur zu tun. Es geht nicht um ein Chalet mit roten Geranienkistchen vor den Fenstern oder um ein Glastahlgebäude mit kühlem Charme. Gemeint ist hier das Holzfass oder der Stahltank als Lagerungsbehälter für Wein. Bei vielen Winzern ist die Wahl eines Holzfasses zur Glaubensfrage geworden, an der sich die Geister scheiden. Die Diskussion dreht sich beim Eichenfass darum, ob es eine Manipulation oder ein Qualitätsmerkmal sei. Mit «Holz» sind Gerbstoffe oder Tannine gemeint – und ob sie die Ursprünglichkeit und den Geschmack des Weins beeinflussen. Die Frage stellt sich, ob zu viel Holz die Frucht unterstützt oder überdeckt. Sind Tannine das «Make-up» des Weins und das Barrique ein teurer Samsonite-Koffer für Winzer? Oder sind Holzaromen das Glutamat von Önologen?
Ich habe festgestellt: Wer einmal auf Barrique geeicht wurde, kommt nicht mehr so schnell davon los. Ob Weinkritiker wie Robert Parker, die Degustatoren des «Wine Spectator» oder des «Gambero Rosso» auch geeicht sind, und deshalb Eichenfassweine mit Höchstnoten bewerten, weiss ich nicht. Ein bekannter Weinkritiker hat einmal die «holzverseuchten Tropfen» (nicht ganz zu Unrecht) als «Biberweine» bezeichnet. Eine Allianz aus Weinpäpsten und bekannten «Winemakern» habe den globalen Wein-Produzenten eingeflüstert, dass nur Weine mit markantem Barrique-Geschmack Höchstnoten verdienten.
Im Altertum wurde Wein in Schläuchen oder Tongefässen gelagert. Das Holzfass zur Lagerung und zum Transport von Wein sollen die Gallier erfunden haben. Das Versandfass war so bemessen, dass es ein Mann allein rollen konnte. Im Gegensatz zu den grossen Holzfässern, in denen der Wein im Keller vinifiziert und gelagert wurde. Das Wort Barrikade leitet sich von Barrique ab. In der französischen Revolution von 1830 haben die Aufständischen in Paris solche Transportfässer mit Erde gefüllt, zu Strassenblockaden aufgetürmt und so die Barrikaden erfunden. Irgendwann avancierte das kleine Fass dann zu einem Instrument der Weinproduktion. Dass Wein im Barrique spezifische Aroma- und Röstnoten annimmt, hatten die Winzer gemerkt und beim Lagern und Ausbau von Wein im Barrique davon fleissig Gebrauch gemacht. Das Holz aromatisiert den Wein mit süsslich-vanilligen, gewürzigen und auch toastigen Tönen. Zu viel Eichenparfüm verfremdet allerdings die natürliche Frucht. Es bedarf viel Fingerspitzengefühl und Erfahrung, um die ideale Balance zwischen Naturfrucht und Holzwürze, Weinsäure und Eichentannin zu erzielen. Im Idealfall ergibt es elegante, spannende und ausgewogene Weine.
Der wichtigste Faktor bei der Lagerung im Barrique ist, dass der Wein durch die Fasern des Holzes atmen kann. Und eben darauf kommt es an – und nicht auf die vordergründigen Holzaromen, die später verschwinden. Durch die geringe, aber stetige Sauerstoffzufuhr wird die Feinoxydation gefördert und zugleich wird der Wein komplexer und harmonischer. Je neuer ein Holzfass ist, desto mehr Aromastoffe werden abgegeben. Nach spätestens fünf Jahren ist der Einfluss des Holzes kaum mehr spürbar. Die Herkunft des Eichenholzes entscheidet, ob ein Wein langsamer oder schneller reift und wie viel Aromastoffe er extrahiert. Französisches Eichenholz gilt weltweit als bestes und teuerstes Holz, das einen eleganten Ausbau zulässt. Aber auch das «Toasting» oder der Röstgrad, womit das Flammen der inneren Fasswandung gemeint ist, beeinflusst das Aromenprofil, welches das Holz im Wein erzeugt. Ethylvanillin als natürlicher Aromastoff im Eichenfass, spielt beim fassgereiften Wein eine wichtige Rolle. Rotwein erhält dadurch ein kirschartiges, Weisswein ein Vanille-Pfirsich-Aroma.
Auch beim Barrique und seinen Holzaromen gilt, was schon Paracelsus gesagt hat: «Allein die Menge macht das Gift». Manchmal wäre für einige Weingeniesser eben weniger wirklich mehr!

Der Autor: Bruno-Thomas Eltschinger ist Präsident des Deutschschweizer Sommelierverbandes (SVS/ASSP). Seit vielen Jahren beschäftigt er sich professionell mit der internationalen und der schweizerischen Weinszene.

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