Wein aus England und Schottland?

Wofür Grossbritannien bisher mit Sicherheit nicht bekannt war, ist das schöne Wetter. Doch im einst als Nebel-Insel verschrienen England gelingt plötzlich weit mehr als eine Essig-Ernte. Der Klimawandel könnte nun die Bedingungen schaffen, dass bis zum Jahr 2080 in beinahe ganz England Wein angebaut werden kann. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass die Gäste in naher Zukunft statt des guten alten Champagners, englischen Schaumwein verlangen. Auf internationalen Weinverkostungen gewannen britische Winzer in den letzten Jahren über 100 Auszeichnungen! Britischer Champagner konnte sich wiederholt gegen französischen durchsetzen. Das Klima wandelt sich, es wird immer wärmer, das mediterrane Klima und sein Lebensstil breiten sich in ganz Europa aus. Die Wissenschaftler streiten zwar noch über die Gründe. Zuerst hat man die Klimaerwärmung geleugnet und ignoriert, aber die Gletscher wurden immer kleiner und die Stadtrestaurants ohne Terrasse konnten im Sommer ihre Tore schliessen. Sogar das britische Königshaus pflanzt jetzt im Park von Windsor Castle Rebstöcke an. Die Weinwirtschaft auf der Insel ist entzückt. Ob er unter dem Namen Château Windsor oder Cuvée Elisabeth vermarktet wird, weiss selbst der britische Thronfolger Prinz Charles noch nicht. Immerhin hatte der Öko-Guru schon früh vor dem globalen Klimawandel gewarnt.
Wissenschaftler sind sich nicht einig, ob unser Kohlendioxid, die Kuhherden Argentiniens oder die Sonne an den Klima-Eskapaden schuld sind. Nur die Reben haben anscheinend nicht viel von dieser Diskussion mitbekommen, denn sie wandern munter in Richtung Nord- und Südpol. Wo früher Heidekraut oder Tulpen wuchsen, entstehen Rebgärten. Wo früher nur weisse Rebsorten heimisch waren, machen ihnen die edlen roten Sorten ihren Platz streitig. Standardwerke über Önografie sind plötzlich nicht mehr up to date, sie müssen aktualisiert, wenn nicht neu geschrieben werden. Als das Deutsche Weininstitut (DWI) zu einer hochrangigen Verkostung internationaler und deutscher Weine in ein Londoner Nobelrestaurant einlud und eine renommierte Fachjury 380 Weine verkostete, gab es ein tolles Ergebnis. Sieben von zehn ausgezeichneten Pinot-Noir-Weinen kamen aus deutschen Landen! Bei Weinkennern sind deutsche Rotweine längst nicht mehr ein Geheimtipp – und zwar nicht Dornfelder oder Lemberger, sondern Pinot Noir und Cabernet Sauvignon. Die Winzer von Nahe und Pfalz haben keine Absatzschwierigkeiten, oft sind sie sogar ausverkauft. Die Sterne-Restaurants in Berlin, Hamburg und Sylt sind zahlungskräftige und willige Kunden.
Was in unseren nördlichen Breiten vornehmlich als Chance gesehen wird, ist für die Winzer in warmen Weltgegenden vor allem eine Bedrohung. Die Verschiebung des geografischen Fensters, in dem Weinbau möglich ist, bedeutet an dessen kühlen Enden eine Ausweitung des nutzbaren Bereiches, am warmen Ende jedoch könnten traditionelle Weinbaugebiete verloren gehen. Das nutzbare Gebiet wächst nicht, es wandert. Insbesondere in Frankreich fürchtet man die Folgen des Klimawandels für die Weinindustrie. Eine Greenpeace-Studie, die davor warnte, dass die Erderwärmung zu einer Verlagerung der Weinbauregionen in die nördliche Hemisphäre führen wird, löste einen offenen Brief von fünfzig führenden Köchen und Sommeliers an Staatspräsident Nicolas Sarkozy aus, in dem sie dringend zur «Rettung dieses Juwels der französischen Kultur» aufriefen. Der Wandel muss aber auch in den Köpfen unserer Gäste stattfinden. Statt automatisch Weine aus Italien oder Spanien zu ordern, sollte man vielleicht mal einen Sauvignon Blanc aus Mecklenburg-Vorpommern oder einen Tempranillo von den Masuren in Polen geniessen. Für den französischen Präsidenten ist es zurzeit vielleicht wichtiger, wiedergewählt zu werden, als Weinflaschen zu retten.

Der Autor: Bruno-Thomas Eltschinger ist Präsident des Deutschschweizer Sommelierverbandes (SVS/ASSP). Seit vielen Jahren beschäftigt er sich professionell mit der internationalen und der schweizerischen Weinszene.

→ zum Hotelier

Der Sommelierverband Deutschschweiz bevorzugt die Produkte unserer PLATINUM-PARTNER:

elemant selection
Seit 1863

 Feldschlösschen LogoSTUDER Logo

 

 

 

 

 

Sponsoren:

1 Swiss Wine sw