Wenn Weine gedopt und manipuliert werden

Wer ein schönes Glas Wein trinkt, denkt unmittelbar an Typizität, Terroir und Natur pur. Ein alter Winzerspruch besagt: Wein wird im Weinberg gemacht. Heute gilt dies aber nur noch bedingt. Es gibt schon zu denken, wenn Investitionen in die Kellertechnik das Mehrfache eines Weinberges kosten. Unsere Weingesetze sind streng wie Fräulein Rottenmeier – und unsere Kontrolleure kennen kein Pardon, wenn es um Fälschung und Manipulation von Lebensmitteln geht. Das gilt sowohl für die Industrieprodukte mit den vielen E-Buchstaben im Kleingedruckten, genauso wie für den Schwefelgehalt auf der Etikette. Zum Glück (für die Produzenten) gilt Wein beim Gesetzgeber nicht als Lebensmittel, sonst gäbe es eine einheitliche Deklarierungspflicht für die Inhaltsstoffe auf den Etiketten. Wenn dem so wäre, würde wohl bald keiner mehr Wein trinken, sondern lieber Energy-Drinks und Starbucks-Kaffee mit Aromazusätzen. Ob ein Wein nach Pfirsich, Aprikose, Nektarine oder Katzenpipi duftet, ist längst nicht immer auf den Boden, Klon oder sonstige natürliche Einflüsse zurückzuführen. Manche Weine von bekannten Weinproduzenten sind in Wirklichkeit nichts anderes als künstliche Mischgetränke.
Typizität oder Terroir interessieren die unerfahrenen Weintrinker (noch) nicht. Ein Wein, der gut ist, bleibt gut, auch wenn er nicht typisch schmeckt. Erst mit zunehmender Erfahrung wird vom Wein Typizität verlangt. Darum werden – dank der «Zulieferindustrie» – Weine mit Enzymen, Zucker- und Säurezusätzen sowie Gerbstoffen, Reinzuchthefen, Extrakten und anderen Additiven gedopt. Sie erzeugen so den gewünschten Weingeschmack. Damit kann der «Winzer» gezielt und massiv in die Aromatik der Weine eingreifen und fast jedes gewünschte Fruchtaroma hervorrufen. In der Fachsprache nennt sich das vornehm «Weindesign». So gibt es längst Enzympräparate, die der Intensivierung der Aromatik dienen. Sie verstärken gezielt die Intensität des Buketts und sorgen für übermässige Betonung des Sortentyps. Solange die EU keine Deklarationspflicht vorschreibt, wird profitorientierten Produzenten Tür und Tor geöffnet bleiben. So sind über fünfzig Zusätze erlaubt – zur Konservierung, Aromatisierung, Stabilisierung, Anreicherung, Farbausbeutung und «Impfung» des Weins. Kurioserweise tragen alle diese Zusätze in anderen Bereichen E-Nummern und sind deklarierungspflichtig. Beim Wein wird darauf verzichtet.
Natürlich gibt es auch Winzer und Weinproduzenten, die «sauber» arbeiten und erstklassige, natürliche Weine abfüllen. Manche sind sogar so mutig und schreiben alle Inhaltsstoffe aufs Etikett. Je weniger es sind, desto besser. Kunden und Weintrinker sollten stets wissen, was ihnen da so gut schmeckt. Im Gegensatz zu solchen qualitätsorientierten Winzern versuchen grosse Produzenten oft, in Imagekampagnen zu suggerieren, dass die von ihnen produzierten Weine ein «rein natürliches Agrarprodukt» sind. Wer weiss, worum es geht, kann solche manipulierten Weine leicht erkennen. Mit dem Einsatz von Aroma-Enzymen lassen sich komplexe, anspruchsvolle Aromenspektren nicht erzielen. Derart manipulierte Weine erkennt man an ihrem «lauten», simpel primärfruchtigen Aromenprofil. Und wer über genügend Weinerfahrung verfügt, entlarvt die dunkle Farbe eines Weines über den korrespondierenden Gerbstoffgehalt. Ein extrem tieffarbiger Rotwein, der nicht über entsprechende Gerbstoffdichte und -struktur verfügt, ist manipuliert. Jeder Standort und jeder dazu passende Klon bringt eine bestimmte Aromatik hervor, die es gilt, möglichst original in die Flasche zu transportieren. Wer ein gutes Glas Wein trinkt, möchte Typizität finden, sich an die Rebsorte und Region erinnern, an den Winzer und die Menschen, mit denen er diesen Wein schon getrunken hat. Erst dann können wir wirklich von Natur, Terroir und reinem 
Wein sprechen.

Der Autor: Bruno-Thomas Eltschinger ist Präsident des Deutschschweizer Sommelierverbandes (SVS/ASSP). Seit vielen Jahren beschäftigt er sich professionell mit der internationalen und der schweizerischen Weinszene.

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