Lieber natürliche Weine, als perfekt manipulierte!

Ein Aufschrei ging durch die hiesige und die europäische Weinwelt, als das neue Weinhandelsabkommen zwischen den USA und der EU in Kraft getreten war. Dieses Abkommen ermöglicht den Verkauf von US-Weinen, die bis jetzt in Europa nicht verkauft werden durften. Es wurden neue Zusatzstoffe und Vinifikationsverfahren erlaubt, welche bis jetzt nicht zugelassen waren. Drei Staaten haben erfolglos gegen das amerikanische Diktat gestimmt: Deutschland, Portugal und Österreich. Ihre Stimmen wurden nicht erhört, ebenso wenig wie die Schweizer Stimme, die nicht mal angefragt wurde. Wir sind zwar nicht in der EU, aber im Vollstrecken von EU-Gesetzen sind wir Musterschüler. Ich habe noch keinen EU-Staat gesehen, welcher so konsequent und buchstabentreu EU-Beschlüsse durchsetzt wie die Schweiz! Wenn Italien, Frankreich, Spanien und Portugal es so streng nehmen würden mit den EU-Vorschriften, müssten einige Restaurants, Snack-Bars und Hotels ihre Tore schliessen.

Unsere Politiker sagen: Wenn wir alle diese Vorschriften und Regelungen nicht einführen, müssten unsere Weinproduzenten erhebliche Wettbewerbsnachteile in Kauf nehmen. Wäre es bei einem Prozent Export-Anteil für unsere Schweizer Wirtschaft wirklich eine existenzielle Bedrohung, wenn unsere Weine nicht EU-konform wären? Der Aufschrei ist verständlich, aber teilweise auch scheinheilig. Das sogenannte «Spinning Cone Verfahren», die Fraktionierung in Schleuderkolonnen, hat die grösste Entrüstung ausgelöst. Weine in ihre Teile zerlegen und neu zusammensetzen, lautet die Beschuldigung. Die Methode wurde entwickelt für die Absenkung des Alkoholgehalts und des Schwefels. Man darf auch in den USA, wie in Europa, keine zusätzlichen oder künstlichen Aromen zusätzlich beifügen. Die Fraktionierung ist fast nur eine logische Fortsetzung eines Trends von Methoden, Behandlungen und Zusatzstoffen, die beinahe schon zur klassischen Vinifizierung gehören. Ob Umkehrosmose oder Vakuumverdampfung, Zuchthefen, Chaptalisation oder Mostkonzentration – alles ist legal und nur im Interesse der künftigen Weinkäufer, die massgeschneiderte Weine verlangen.

Ich bin persönlich für natürliche Weine! Weine mit Terroir, Klima, eigenständigen Traubensorten und natürlichem Alkohol, Süsse, Farbe und Geschmack. Ich mag unperfekte Weine mit eigenem Charakter, Kontur, Unebenheiten, Ecken und Kanten. Perfekte, glattgestylte Weine schmecken vielleicht eine Weile, aber mit der Zeit werden sie langweilig. Mich haben sie aber in Bern und Brüssel nicht gefragt, wie auch nicht die vielen kleinen Winzer aus der Schweiz, Portugal, Österreich und Deutschland. Unsere Stimme ist zu leise, unsere Lobby zu klein. Deshalb ist die einzig richtige Reaktion auf die neuen technischen und chemischen Trends, sich davon zu distanzieren, gleich ob als Konsument oder Produzent. Sozusagen zurück zur Natur. Viele Weinregionen, Weingebiete und Winzergemeinschaften haben sich für den unbequemeren, mühsameren, aber richtigeren Weg entschieden. Sie haben Ihre Zielsetzungen, Methoden und die Ethik in Regelwerken, Chartas oder Codexen deklariert und sie produzieren getreu ihrer Philosophie. Sie schenken wörtlich reinen Wein ein! Natürlich ist das nicht der Weg des kleinsten Widerstandes, aber die Arbeit wird auch finanziell belohnt. Nicht nur ich, sondern eine überwiegende Mehrheit der Weinkenner und Konsumenten ist gewillt, mehr auszugeben für echte, authentische Weine ohne Manipulation und Zusatzstoffe. Sie sind auch mehr Wert. Wenn eine Verordnung oder ein neues Gesetz etwas erlaubt, heisst das nicht, dass man es zwingend auch einführen muss. In Schweizer Massstäben wäre das auch unsinnig. Kein Schweizer Winzer kann mit amerikanischen, chilenischen oder spanischen Weinen preislich und mengenmässig konkurrieren. Sie können und dürfen mit Qualität und Ökologie trumpfen. Aber sie müssen neben dem handwerklichen Rebbau und der natürlichen Vinifizierung ihre künftigen Kunden auch informieren und erreichen. Sie müssen sich von fragwürdigen Zusatzstoffen, Methoden und Techniken distanzieren. So wie das viele Oberwalliser Winzer mit ihrer Weincharta tun, oder wie das die Wachauer Winzer mit dem Codex Wachau («Der Charta des reinen Weines») demonstrieren. Ehrlicher Weinbau und Kelterung sind nicht nur möglich, sondern für die Kleinen die einzige Zukunftschance gegen eine manipulierte Food- und Drink­industrie.

→ zum Hotelier

Der Sommelierverband Deutschschweiz bevorzugt die Produkte unserer PLATINUM-PARTNER:

elemant selection
Seit 1863

 Feldschlösschen LogoSTUDER Logo

 

 

 

 

 

Sponsoren:

1 Swiss Wine sw