Statussymbol Wein

Weinkarten sind Visitenkarten eines Restaurants. Sie sind nicht nur Verkaufsinstrument, sie verraten oft mehr, als dessen Schöpfern lieb ist. Sie sind ein Fachausweis des Sommeliers, und jedes falsch geschriebene Chateau oder AOC sorgt für schadenfreudige Genugtuung beim fachkundigen Gast. Er denkt: «Ich bin halt doch besser als die.» Sehr oft ist es auch ein freiwilliger Kapitalnachweis des Patrons, weil umfangreiche Weinkarten meistens von unbändiger Sammellust der Inhaber zeugen. Früher haben sich Männer über ihre Autos definiert. Danach kam: «Mein Auto, mein Haus, meine Jacht». Wenn man dann schon alles hat, kommt der eigene Weinberg dazu. Natürlich kann nicht jeder einen Weinberg pflegen, aber wenigstens eine Weinsammlung müsste her. Je mehr Flaschen im Keller lagern, desto grösser die Bewunderung und der Neid von Kollegen. Natürlich kennt man die Winzer persönlich und hat die raren Flaschen selbst transportiert! Und wenn man schon «Chateau Yquem» besucht, geht man doch auch noch schnell bei der «Domaine de la Romanée Conti» vorbei oder bei Baronesse de Rothschild zum Apéro. Ein paar Flaschen Le Pin, Penfolds Grange, Vega Sicilia und Opus One im Portefeuille sind auch nicht zu verachten. Ganz zu schweigen von Angelo Gaja und Champagne Krug! Snob zu sein verpflichtet.

Die ganz kostbaren und seltenen Posten hat man nach blutiger Bieterschlacht selbst bei Sotheby's, Christies oder eBay ersteigert. Nicht als anonymer Telefonbieter, denn man steht zu dem, was man hat. Der Rest der Welt soll doch wissen, dass wir es uns leisten können, ein paar Kistchen Château Pétrus oder Cheval Blanc unser Eigen zu nennen. Es sind Liebhabereien, die man sich nach jahrelanger, anstrengender Arbeit bis spät in die Nacht hinein, mit reklamierenden und geizigen Gästen herumschlagend, doch redlich verdient hat. Irgendwie will das eigene Ego auch auf seine Kosten kommen. Früher konnte man noch mit einer edlen Karosse prahlen, aber heute wirkt das nicht mehr. Der Hausmeister fährt Jaguar, der Metzger Lexus – und der Range Rover passt nicht auf den Parkplatz. Solche Probleme gibt es mit einem seltenen und teuren Wein nicht. Wer hat schon einen 1945er-Mouton-Rothschild, einen 1990er-La Tâche, oder einen 1961er-Pétrus? Man darf sie mit Stolz zeigen, darum hat man sie nämlich erworben. Man kann damit neue und einflussreiche Freunde gewinnen. Wer wird schon eine Einladung für eine Weinverkostung mit berühmten Raritäten und Spitzenjahrgängen ausschlagen!

Die gesellschaftliche Aufgabe, die irgendein Golfclub früher erfüllte, übernimmt heute die Weindegustation unter Freunden. Sie kostet zwar auch ein paar Tausend Franken, aber das ist kaum zu überbieten. Ein oder zwei grosse Namen der Wein-Prominenz auf der Gästeliste und der Erfolg ist garantiert. Bei den Teilnehmenden wird der Name der Gastgeber mit dem Spitzenwein verbunden bleiben, ein unbezahlbarer Nebeneffekt! Natürlich setzt man solche Weine auch auf eine Weinkarte mit der geheimen Hoffnung, dass sie niemand bestellt. Wenn dann doch ein Gast aus Wladiwostok oder Hongkong den grossen Namen nicht widerstehen kann und ausgerechnet diese wohlgehüteten Schätze des Hauses bestellt, lindert wenigstens der Umsatz den Trennungsschmerz. Immerhin ein Grund, nach neuen flüssigen Trophäen Ausschau zu halten. Die Jagd kann erneut beginnen und der Preis spielt sowieso keine Rolle. Ob die edlen Weine trinkbar sind, ist bei diesen Kostbarkeiten nebensächlich. Wer trinkt schon seine Trophäen? Sollten plötzlich die Neureichen oder Etikettentrinker ausbleiben und die Kasse nicht mehr so oft klingeln, kann man immer noch ein oder zwei Kistchen vermarkten. Die Performance wäre etwa gleich hoch, wie bei den edlen Goldbarren der Schweizerischen Nationalbank.

Der Autor: Bruno-Thomas Eltschinger ist Präsident des Deutschschweizer Sommelierverbandes (SVS/ASSP). Seit vielen Jahren beschäftigt er sich professionell mit der internationalen und der schweizerischen Weinszene.

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