Die jungen Wilden aus dem Thurgau

Im Rahmen eines Gruppenprojekts der Diplomklasse an der Sommelier-Fachschule Zürich konnte ich drei junge Winzer bei Weinfelden im Thurgau besuchen. Wer Thurgau hört, denkt an liebliche Landschaften, Most-Indien und vor allem an Apfelsaft. Inzwischen macht der Weinbau dem Süssmost aber viel Konkurrenz. Die wichtigsten Rebsorten im Thurgau sind «Blauburgunder» und «Müller-Thurgau». Die Produktion erfolgt mehrheitlich nach den Richtlinien des integrierten Weinbaus. Dass diese Region ein Weinbaukanton mit Spitzenweinen geworden ist, verdankt sie hauptsächlich der neuen und jungen Winzergeneration. Deren Vertreter sind zwar in Persönlichkeit und Betriebsphilosophie grundverschieden, aber sie haben einen gemeinsamen Nenner. Dieser Nenner heisst: Qualität. Mit viel persönlichem Einsatz und Elan haben sie die Weine des Thurgaus in die nationale Spitzenliga katapultiert. Der bekannteste der drei jungen Winzer, bei denen wir einkehrten, ist Johannes Meier vom Schlossgut Bachtobel, das zu den renommierten Weingütern der Schweiz zählt. Dafür hat der verstorbene Hans Ulrich Kesselring gesorgt. Das Erbe hat sein junger Neffe mit Erfolg angetreten. Er wollte das Schlossgut Bachtobel nicht neu erfinden.
Johannes Meier hat das traditionelle Wissen mit zeitgemässer Technologie vereint und sorgt mit der jungen Önologin Ines Rebentrost dafür, dass das Schlossgut Bachtobel weiterhin ein Begriff auf nationalem Niveau bleibt. Die drei Vinifizierungen – No. 1, No. 2 und No. 3 – sind ein Begriff für Spitzen-Pinot-Noirs, wobei die Nummer 3 der Beste ist. Weine zu kreieren, welche die Herkunft und die persönliche Einstellung des Winzers widerspiegeln, ist das Ziel des jungen Schlossherrn. Dieselben Ziele und Philosophien hat unweit von Schloss Bachtobel auch Michael Broger. Der gelernte Weintechnologe hat nach mehrjähriger Tätigkeit auf dem Schlossgut Bachtobel und einer «Stage» in Neuseeland seinen Traum realisiert. Er hat seine Erfahrungen in traditionellen Betrieben gesammelt, setzt aber jetzt auf biodynamischen Rebbau und natürliche Vinifizierung. Er verzichtet allerdings auf die Bio-Zertifizierung, weil er die dafür benötigte administrative Arbeitszeit lieber im Weinberg verbringt. Nicht nur seine Rotweine sind spitze, auch der Müller-Thurgau und sein Schillerwein sind eine ganz neue Erfahrung. Michael Broger ist ein sehr positiver Botschafter für den biodynamischen Weinbau. Er ist nicht sektiererisch, er will nicht bekehren und belehren, er lebt und arbeitet einfach im Einklang
mit der Natur.
Der Dritte im Bunde ist Michael Burkhart mit seinem Weingut. Er ist nach seiner Ausbildung zum Winzer und praktischen Erfahrungen auf in- und ausländischen Weingütern in den elterlichen Betrieb eingestiegen. Schon seine Eltern Christine und Willi Burkhart waren sehr innovativ. Sie begannen 1992, fünfzehn verschiedene neue Rebsorten auszuprobieren und zu pflanzen. Bis 1998 testeten sie rund 60 neue Sorten. Den Kernling, den die Burkharts als erstes Weingut in der Schweiz angebaut haben, entdeckten sie bereits 1993. Der junge Michael Burkhart ist ein Workaholic und Perfektionist. Er ist das beste Beispiel für die universalen jungen Winzer. Er fährt nicht nur einen italienischen Weinberg-Ferrari, er keltert auch die Weine selbst, gestaltet das breite Sortiment vom Schaum- bis zum Dessertwein, betreibt Marketing und hält Vorträge.
Man hört immer wieder den Ruf, dass unser Land neue Winzer braucht. Zum Glück gibt es viele davon! Wir haben drei, mit unterschiedlichen Voraussetzungen, gefunden. Sie sind jung, innovativ, qualitätsorientiert und gradlinig. Sie erscheinen zwar wild für Traditionalisten, aber gleichzeitig sind sie sehr besonnen, konsequent und sympathisch. Aber das Wichtigste ist, dass ihre Weine hervorragend gemacht sind und dazu noch sehr gut schmecken. Beim Degustieren kommt einem unweigerlich der Gedanke, statt eines mittelmässigen Franzosen, lieber einen Karton Thurgauer Wein zu kaufen. Sie sind jeden Rappen wert!


Der Autor: Bruno-Thomas Eltschinger ist Präsident des Deutschschweizer Sommelierverbandes (SVS/ASSP). Seit vielen Jahren beschäftigt er sich professionell mit der internationalen und der schweizerischen Weinszene.

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