Chasselas, der unterschätzte Schweizer

Wenn über Malbec gesprochen wird, denken wir sofort an Argentinien. Geht es um Riesling, assoziieren wir Deutschland, beim Zweigelt erinnern wir uns an Österreich, und der Tempranillo gehört zu Spanien wie der Furmint zu Ungarn. Diese Rebsorten sind wie nationale Denkmäler und Teile von patriotischem Stolz. Zu den typischen Nationalgerichten geniessen wir vorzügliche einheimische Weine aus typischen Rebsorten. Woran denkt man beim nationalen Schweizer Gericht? Natürlich an Fondue! Zum Fondue trinkt man Fendant, sie gehören zusammen wie Zermatt und das Matterhorn. Auf das Fondue sind wir Schweizer recht stolz, obwohl wir ihm oft nur während der Skiferien begegnen.
Der Chasselas oder Fendant hat es als einheimischer Wein trotzdem schwerer als andere, obwohl er ein richtiger Allrounder ist. Früher war ein Dézaley oder Aigle fester Teil des Sonntagmenüs oder Geburtstagessens. Vom Stammtisch war der Fendant nicht wegzudenken, und die Fische aus dem Genfersee fühlen sich am wohlsten mit Wein aus Chasselas-Trauben. Er gehört zur Schweiz wie Käse, Schokolade oder das Armeemesser. Aber er fristet beim Grossteil der Schweizer eher ein Schattendasein. Echte Weinkenner haben schon lange erkannt, dass unsere Chasselas-Weine richtige Geheimtipps sind, worauf wir mit Grund stolz sein können.
Die Vorzüge des Chasselas sind nicht neu. Es ist kein Zufall, dass die Rebsorte in Deutschland «Gutedel» heisst. Es gibt ihn nämlich auch in anderen Ländern, aber die Besten gibt es eigentlich nur in der Schweiz. Er fühlt sich hier am wohlsten – und bei fähigen Winzern entstehen auch echte Spitzenweine. Möchtegern-Weinkenner rümpfen die Nase, wenn Sie auf Chasselas angesprochen werden. Sie sind fest verankert in der Vergangenheit und pflegen ihre Vorurteile. Es gab nämlich Zeiten, in denen diese Vorurteile begründet waren. Damals, als die Schweizer vor allem mit einheimischen Säften vorliebnehmen mussten – mit Weinen, die nicht unbedingt mit Eleganz und Grösse gleichzusetzen waren. Es herrschte die landläufige Meinung, dass aus der Chasselas-Traube flache, langweilige Weissweine ohne Charakter und Leidenschaft entstehen – saure Fendants, öde Epesses, fade Féchys. Zum Glück haben sich die Zeiten geändert! Die Chasselas-Traube ist heute der Star der Waadtländer Weinbauern, und eines ist sicher: Der Chasselas ist und bleibt das Aushängeschild der Westschweizer Winzer. Hier entstehen echte Terroir-Weine. Die Vielseitigkeit der Böden und des Mikroklimas, die sich dank der Subtilität und Struktur der Rebe Chasselas perfekt ausdrücken kann, führt dazu, dass jedes Dorf seinen eigenen Typ hervorbringt.
Die Weine des Lavaux besitzen eine ausgesprochene Typizität und bezaubern durch ihre mineralischen, floralen und fruchtigen Noten mit viel Schmelz und eleganter Länge. Chasselas ist genauso kapriziös wie Pinot Noir bei den blauen Sorten. Schweizer Winzer und Önologen, welche die Chasselas-Rebe bändigen und aus deren Früchten fein ziselierte Weine produzieren, deren Frucht und Mineralität in harmonischem Einklang stehen, gelten als Uhrmacher der Weinbranche. «Man muss verrückt sein, um eine solche Sorte zu vinifizieren», sagte der «Winemaker» des berühmten kalifornischen Weingutes «Opus One». In vielen Ländern wird Chasselas nämlich nur als Tafeltraube kultiviert. Chasselas, Gutedel oder Fendant, in der Waadt nach Herkunft Vinzel, Féchy, St-Saphorin, Dézaley oder Yvorne genannt, trinkt sich leicht als Aperitif zu Häppchen, Vorspeisen, Fischgerichten, grilliertem Schweinebauch, geschmorten Haxen und reifem Käse. Fast als glücklichen Zufall kann man das Resultat der jüngsten wissenschaftlichen Untersuchung der Universität Neuenburg betrachten. Genetisch konnte nachgewiesen werden, dass die Chasselas-Traube ihren Ursprung tatsächlich in der Region um den Genfersee hat und nicht, wie auch schon behauptet, im Nahen Osten. Das heisst: Chasselas ist ein echter Schweizer Heimatwein!

DER AUTOR Bruno-Thomas Eltschinger ist Präsident des Deutschschweizer Sommelier-Verbandes (SVS/ASSP) und Leiter der Sommelier-Fachschule Zürich. Seit vielen Jahren beschäftigt er sich professionell mit der schweizerischen und der internationalen Weinszene.

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