Burgunder Weine im Fegefeuer?

Rote Weine aus dem Burgund werden entweder geliebt oder gehasst. Warum werden sie geliebt? Sie gelten als die Verkörperung des önologischen Paradieses, denn kein anderer Tropfen soll es mit der Finesse, der Intensität und dem Genusspotenzial eines gut gemachten Burgunders aufnehmen können. Einen exzellenten Burgunder zu trinken sei wie der Eintritt durchs Himmelstor, schwören seine Anhänger.
Allein schon die Namen klingen wie Heilsversprechen: Corton-Charlemagne, Chambolle-Musigny, Montrachet, Romanée-Conti, Clos de Vougeot, Nuits-Saint-Georges,
La Tâche und wie sie alle heissen. Die Typizität des Pinot Noirs liegt in seiner beeindruckenden aromatischen Komplexität und seiner Finesse. Sie ist tiefsinnig, ästhetisch, majestätisch, kräftig, strukturiert, harmonisch und verführerisch zugleich. Ein guter Burgunder hat ein komplexes und delikates Bouquet, einen säurehaltigen und doch samtigen Gaumen, eine ausgewogene Balance und ein grosses Lagerpotenzial. Das war zu den Zeiten, als der Burgunder auf der Bühne der grossen Gewächse noch eine Diva war – geheimnisvoll, verführerisch, betörend, unnahbar und doch so nah.
Burgunder Rotweine sind aber auch ein sehr delikates Thema! Der Weg ins Paradies führt nämlich oft durch das Fegefeuer.
Es gibt immer noch viele Weinkenner und Liebhaber, die dem Burgunder huldigen, aber vielleicht gibt es mehr enttäuschte Liebhaber, die inzwischen fremdgegangen sind. Weil die meisten Burgunderweine zu teuer, oft mittelmässig, wenn nicht gar schlecht gemacht sind. Es gibt zwar ein paar fantastische Weine namhafter Domänen, die aber wegen limitierter Mengen fast unbezahlbar geworden sind. Ausserdem sind für viele der heutigen Weintrinker die Burgunder Weine sensorisch schwer zugänglich, und es bedarf schon einer grossen Leidensfähigkeit, bis man die Schlüssel zur Pforte in den Pinot-Noir-Himmel gefunden hat.
Die roten Burgunder sind häufig verschlossen, gerbstoffreich, kantig und derb. Entweder ist man ein Snob und zahlt einen hohen Preis – für einen unfertigen Wein mit fragwürdigem Genussfaktor. Oder man ist ein alter Mann, der eine ausgediente Operndiva begehrt, deren Glanz und Stimme längst verblasst sind. Mit dem Ruf der Vergangenheit, dass Burgunder Weine das Tor zur Glückseligkeit bedeuten, lässt sich die Jugend heute nicht mehr blenden. Trotzdem hat sich inzwischen auch im Burgund einiges getan und etliche seriöse Winzer knüpfen mit sorgfältiger Weinbergs- und Kellerarbeit sowie deutlich reduzierten Erträgen wieder an alte Zeiten an.
Aber warum werden Weine aus dem Burgund trotzdem nicht mehr so heiss geliebt wie früher? Anders als in den 60er- bis 80er-Jahren, wird heute auch nicht mehr nach Herzenslust Dünger und Spritzmittel auf die Weinberge gekippt und geerntet, so viel sie hergeben, und die Böden haben deutlich mehr Qualität. Deshalb schmecken inzwischen die Weine auch nicht mehr so dünn, substanzlos und ausgelaugt. Selbst mit Rhônewein wird längst nicht mehr gepanscht. Der Jahrgang wird wieder spürbar, das Terroir erkennbar und der Geschmack geniessbar. Und trotzdem machen viele Pinot-Freunde einen grossen Bogen um diese berühmten Domänen, weil der göttliche Genuss nach wie vor einen höllischen Preis hat und weil das auf Terroir basierende Klassifikationssystem nach wie vor intransparent und willkürlich ist. Unterdessen hat hingegen auch der letzte Weinliebhaber realisiert, dass er zum Preis eines mittelmässigen Burgunders ein Pinot-Spitzengewächs aus Deutschland, der Schweiz oder der neuen Welt erstehen und trinken kann.
Heutige Weintrinker sind keine Snobisten, keine Sektierer und vor allem nicht Männer im reifen Alter mit dickem Portemonnaie, die jahrelang sehnsuchtsvoll auf die Erleuchtung warten.

Der Autor: Bruno-Thomas Eltschinger ist Präsident des Deutschschweizer Sommelierverbandes (SVS/ASSP). Seit vielen Jahren beschäftigt er sich professionell mit der internationalen und der schweizerischen Weinszene.

→ zum Hotelier

Der Sommelierverband Deutschschweiz bevorzugt die Produkte unserer PLATINUM-PARTNER:

elemant selection
Seit 1863

 Feldschlösschen LogoSTUDER Logo

 

 

 

 

 

Sponsoren:

1 Swiss Wine sw