Sprechen wir über orange Weine?

Lange Zeit regierte auf Weinkarten das heilige Dreigestirn Weiss, Rot, Rosé. Doch nun erobert eine vierte Farbe die Weinwelt: die Farbe Orange. Es geht um eine wiederentdeckte Art von Naturwein, zurück zur Natur, lebendig, rein und komplex. Das meinen zumindest die Enthusiasten; die Gegner klagen über Weinfehler und Gerbstoffe. Oranger Wein ist nichts anderes als maische- vergorener Weisswein, der eine orange bis in Bernstein gehende Farbe zeigt. Diese Farbe entsteht bei der Maischegärung durch den langen Kontakt des Saftes mit den Traubenschalen, so wie bei der Rotweinherstellung. Das führt zum Ergebnis, dass die Weissweine eine wesentlich intensivere, orange anmutende Farbe haben. Ein weiterer Effekt ist die Tatsache, dass die Weine eine ganz andere Struktur bekommen als beim Rotwein. Weissweine haben Gerbstoffe, mehr Phenole und manchmal – in ihrer Jugend – auch etwas mehr Bitterkeit. Der Traubensaft gärt über mehrere Tage, Wochen oder sogar Monate mit Schalen und Kernen. Dadurch wird ein mehr oder weniger hohes Mass an Tanninen, Farb- und Geschmacksstoffen in den sich ent- wickelnden Wein übertragen. Die Weine werden wenig oder
gar nicht gepumpt, nicht filtriert, sind komplett durchgegoren und benötigen zur Konservierung nur wenig Schwefel.
Diese Machart verleiht den Weinen eine sehr körperreiche, komplexe Struktur, die jedoch dem einen oder anderen Weinfreund eher fremd ist. Bei einigen Betrieben wird das Thema noch mit weiteren Faktoren wie biologischem oder biodynamischem Anbau oder durch den Ausbau in Amphoren, Spontangärung und alten Reben aufgeladen. Konsens aller Winzer, die sich mit dieser Thematik beschäftigen, ist jedoch, etwas Aussergewöhnliches, vielleicht auch etwas Exotisches zu schaffen. So steht denn auch das «Orange» nicht nur für die Weinfarbe, sondern auch für die Methoden der Weinbereitung. Bei der Vinifizierung aber wollen sie alle die Grenzen des konventionellen Weinbaus sprengen und Weine produzieren, die möglichst natürlich und unverfälscht sind. Nichts soll den Geschmack beeinflussen, so wie das im traditionellen Weinbau Gang und Gäbe ist. Können Sie sich vorstellen, dass Weine ohne Sulfate gemacht sind? Und wenn es so ist, wie sieht dann die Farbe dieser Weine ohne Sulfate nach ein paar Jahren aus? «Master of Wine» Isabelle Legeron, die Ikone der Naturweinbewegung aus Frank- reich, sagte: «Es ist durchaus möglich, dass Weine, die ohne Sulfate gemacht wurden, 50 Jahre und älter werden». Was für eine avantgardistische und progressive Aussage!

Naturweine stellen in Farbe, Geruch und Geschmack die
Gewohnheiten unserer Gäste völlig auf den Kopf, sorgen für heftigen Diskussionsstoff und spalten die Weinszene. Vor allem irritiert es die Weinmacher alter Schule, dass die «trüben Tropfen» weltweit in Kultrestaurants immer beliebter werden. Sie empfinden Naturwein-Anbeter als bedrohliche Konkurrenz und lehnen deshalb orange Weine grundsätzlich ab. Ich finde es wichtig, von jenen Weinen, die den globalen Einheitsgeschmack widerspiegeln, auch mal wegzukommen. «Orange Wines» werden schon aufgrund ihrer Farbe mit Argwohn betrachtet und oft als eigenwillig empfunden. Obwohl die Farbe Orange seit Jahrtausenden mit Wein verbunden ist, gilt sie als Farbe der Geselligkeit, der Lebensfreude und des Vergnügens. Mit Orange, der Farbe der Energie und Aktivität, werden oft Licht oder Wärme assoziiert. In Spanien nennen Männer ihre Frauen oft Media naranja, die orangefarbene Hälfte. Der griechische Gott Dionysos – als Gott des Weines und des weltlichen Vergnügens – trägt ein orangefarbenes Gewand. Beim Bacchuskult im alten Rom trugen die weiblichen Bacchantinnen orangefarbene Kleider und einen Kranz aus Weinlauben auf dem Kopf, wenn sie Gott Bacchus huldigten. Orange Weine bieten ein ganz besonderes Geschmackserlebnis, es sind wirklich Weine mit einer Seele.
DER AUTOR Bruno-Thomas Eltschinger ist Präsident des Deutschschweizer Sommelier-Verbandes (SVS/ASSP) und Leiter der Sommelier-Fachschule Zürich. Seit vielen Jahren beschäftigt er sich professionell mit der internationalen und schweizerischen Weinszene.

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